Unsere Arbeit wird nicht überflüssig
(Fulda | 28. Dezember 2023) Hat das Jahr 2023 die Verkehrswende vorangebracht? Sind Städte lebenswerter geworden und Straßen sicherer? Hat der öffentliche Raum an Aufenthaltsqualität gewonnen? Ist es leichter, billiger und frustfreier geworden, mit dem öffentlichen Nahverkehr unterwegs zu sein? Ist Fahrradfahren nun entspannter und unfallfreier? Können wir uns auf die Bahn mehr verlassen und können mehr Menschen aus dem ländlichen Raum jetzt auch ohne Auto an ihre Ziele kommen?
Erst das (ein bisschen) Positive
Das Positive zuerst: Letzten Monat wurde endlich eine Lösung für das Studierendenticket ausgehandelt. Mit der Lösung, dass Studierende eine günstigere Version des Deutschlandtickets für 29,40 monatlich erhalten wurde das ersatzlose Aushebeln der bisherigen Semestertickets gerade noch einmal verhindert. Die Einführung des Deutschlandtickets im April führte zu mehr Fahrgästen im öffentlichen Nahverkehr; allerdings sind die Zahlen der Menschen in Bussen und Bahnen immer noch niedriger als vor der Pandemie. Dennoch zeigen die Effekte des Deutschlandtickets, dass hohe Preise viele von der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs abhalten. Der VCD fordert daher noch günstigere Tickets auch für andere Gruppen wie Schüler:innen – doch ob das Deutschlandticket verlängert wird, steht selbst noch auf der Kippe.
Autobahnbau wird beschleunigt
Jenseits der Preisgestaltung für den bundesweiten Nahverkehr hat sich jedoch wenig getan. So wird durch die verabschiedete Planungsbeschleunigung nicht nur der Bau von beispielsweise Windrädern, sondern auch der von Autobahnen gefördert und damit betonierte Fakten für die nächsten Jahrzehnte geschaffen. Darunter sind gar Autobahnen wie die A 20, die teils durch Moorlandschaften geführt werden – also Landschaften, die wegen ihrer Funktion, CO2 binden zu können, dringend geschützt werden müssten. In unserer Region wird ganz ähnlich direkt an der Grenze zum Biosphärenreservat Rhön eine neue Autobahnausfahrt gebaut, die vor allem Verkehr verlagern und für noch mehr Versiegelung und Zerschneidung von Landschaft sorgen wird.
Tempo 30? Erst muss es Tote geben …
Ein echter Rückschlag war die Ablehnung der vom Bundestag eingebrachten Reform des Straßenverkehrsgesetzes durch vor allem CDU-geführte Länder im Bundesrat. Rund 1000 Kommunen – darunter in unserer Nähe zum Beispiel Bebra oder Eichenzell – fordern schon lange als Bündnis „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ mehr Spielraum bei der Einrichtung von Tempo-30-Zonen, neuen Radwegen oder Busspuren. Damit bleibt alles beim Alten: Es muss erst Tote geben, bevor Gemeinden individuell entscheiden können, wo sie Tempo 30 fordern oder Zebrastreifen einrichten möchten.
Wir vom VCD meinen: Die Flüssigkeit des Kraftverkehrs kann nicht einziges Kriterium für angemessene Verkehrsplanung sein und muss dringend durch die Aspekte Sicherheit und Umweltschutz ergänzt werden. Städte und Gemeinden müssen endlich von einem veralteten Verkehrsrecht befreit werden, um selbst über die besten Lösungen entscheiden zu können. Der VCD setzt sich übrigens mit seinem Vorschlag für ein Bundesmobilitätsgesetz für noch weitgehendere rechtliche Änderungen ein.
Oberverwaltungsgericht: Bundesregierung muss nacharbeiten
Immerhin: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg stellte auf eine Klage der Deutschen Umwelthilfe und des BUND (Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland) hin fest, dass das Verkehrsministerium aufgrund der im Verkehrssektor gerissenen Klimaziele verpflichtet ist, ein Sofortprogramm aufzulegen, dass die Einhaltung der Ziele sicherstellt – und dass das 2023 von der Bundesregierung beschlossene Klimaschutzprogramm nicht an die Stelle eines solchen Sofortprogramms treten kann, da es keine tatsächlich kurzfristig wirksame Maßnahmen enthält.
Aber die Bundesregierung plant doch, in den nächsten Jahrzehnten Milliarden für die Bahn und den Nahverkehr auszugeben, oder? Dumm nur, dass das Bundesverfassungsgericht den Plan der Regierung, solche Maßnahmen durch noch aus der Corona-Pandemie stammenden Sonderregeln für die Kreditaufnahme zu finanzieren, als verfassungswidrig deklariert hat. Grund ist die von Union und SPD 2009 gegen die Stimmen von Linken und Grünen eingeführte „Schuldenbremse“, die den Handlungsspielraum der jeweiligen Regierungen seither massiv einschränkt. Unter anderem wurden bereits Pläne laut, Regionalisierungsmittel für die Länder einzusparen, aus denen beispielsweise Bus und Bahn finanziert werden.
Fliegen und Monsterautos müssen nicht subventioniert werden
Der VCD fordert hier schon lange eine Umschichtung von Geldern. Subventionen, die indirekt zu noch mehr Erderhitzung führen, müssen endlich abgeschafft werden, um deutlich in Bahn und öffentlichen Nahverkehr investieren zu können. Konkret setzt sich der VCD für eine erhöhte Mehrwertsteuer für Auslandsflüge ein, denn eine Kerosinsteuer kann es aufgrund internationaler Abkommen nur für den sehr kleinen Anteil von Inlandflügen geben. Bei der Kfz-Steuer sollten emissionsarme Fahrzeuge dagegen besser gestellt werden als solche mit hohen Abgaswerten, und Diesel sollte genauso besteuert werden wie Benzin. Auch Entfernungspauschalen und das Dienstwagenprivileg sollten endlich wegfallen, um ordentlich in den öffentlichen Verkehr investieren zu können.
Nein, das politische Umfeld ist nicht leichter geworden für unsere Anliegen – besonders in Zeiten, in denen manche glauben, man müsse nur mehr Geflüchtete abschieben und aufhören zu gendern, damit der Klimawandel aufhört, damit alle Fachärzte wieder Kassenpatient:innen annehmen und Handwerksbetriebe problemlos fitte Auszubildende finden. Angesichts komplexer Problemlagen sind für die Verkehrswende engagierte Menschen und Organisationen wie der VCD wichtiger denn je. Gleichzeitig machen polarisierte Debatten sachorientierte Diskussionen noch herausfordernder. Dafür brauchen wir eure Unterstützung – macht mit und kommt einfach einmal vorbei!